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Mardi Gras in Mobile

Stilkunde − Bei Biloxi kehren wir auf die I-10 zurück und lassen den Staat Mississippi hinter uns. In Mobile, Alabama, schmieden wir im Visitor Center, welches in der Rekonstruktion eines alten französischen Forts (Fort Condé) untergebracht ist, Pläne für die nächsten Tage. Übermorgen beginnt in Mobile der Mardi Gras. Natürlich wollen wir uns den amerikanischen Karneval nicht entgehen lassen und beschliessen deshalb ein paar Tage in Mobile zu verbringen.

Die Hafenstadt Mobile stand im Verlauf seiner Geschichte unter französischer, spanischer, englischer, konföderierter und amerikanischer Herrschaft. Die verschiedenen Einflüsse werden für Kenner beim Stadtbummel sichtbar. In den verschiedenen historischen Distrikten findet man Häuser im spanischen, französischen, viktorianischen und griechischen Renaissance Stil aus der Zeit vor dem Civil War. Uns beeindrucken alle durch ihre stattliche Grösse. Mit der Zuteilung der einzelnen Stile bekunden wir jedoch etwas Mühe ;-)

Im Zentrum gefallen uns die farbigen Häuser mit den schmiedeeisernen Balkonen. Schön sind auch die von Eichen gesäumten Strassen. Falls man die Stadt im Frühjahr besucht, kommen die blühenden Azaleen hinzu, die die vielen Gärten schmücken. Von frühlingshaften Temperaturen können wir im Moment leider nur träumen. So suchen wir bei «Three Georges» Zuflucht vor der Kälte. Der Chocolatier besteht schon seit 1917 und überzeugt auch uns mit seinen Schokoladenkuchen. Und weils drinnen so schön warm ist, essen wir später bei Subway auf der anderen Strassenseite gleich noch ein Sandwich ;-)

 

Mein Name ist Hase... − Am Abend begeben wir uns zum etwas ausserhalb der Stadt gelegenen Greyhound Park. Wir haben gelesen, dass hier Windhundrennen stattfinden und freuen uns auf eine Abendunterhaltung der etwas anderen Art. Die werden wir bekommen, wenn auch nicht ganz so, wie wir uns das vorgestellt haben. Kaum haben wir das Clubhouse betreten, werden wir von einem Mann aufgehalten. Er zeigt sich besorgt über die Kamera, welche Lulu umgehängt hat. Wir müssen ihm mehrmals versichern, dass wir damit keine Blitzaufnahmen machen werden. Obwohl er uns schliesslich passieren lässt, fühlen wir uns nicht sehr willkommen. Die vorwiegend dunkelhäutigen Männer mustern uns skeptisch. Keiner, der uns mit einem freundlichen «hi» begrüsst, was für Amerika doch eher untypisch ist. Trotzdem lassen wir uns in einer der Stuhlreihen nieder und warten das weitere Geschehen ab. Durch eine Glasfront hat man freie Sicht auf die Rennbahn, die momentan noch verlassen daliegt. An den Wänden hängen TV-Monitore, auf denen Startaufstellungen, Resultate und Wettinformationen von anderen Windhundrennarenen angezeigt werden. Wir verstehen leider nur Bahnhof und widmen uns daher dem mitgebrachten Lesestoff. Nach einer halben Ewigkeit kommt draussen Bewegung auf. Die Windhunde laufen an den Leinen ihrer Halter ein und werden zur Startbox geführt. Wir begeben uns ebenfalls nach draussen, um das Rennen hautnah mitzuerleben. Und schon preschen die Hunde auf den künstlichen «Hasen» fokussiert über die Sandpiste. Der «Hase» wird mitels einer technischen Vorrichtung rund um die Arena geschleppt und regt dabei den Jagdtrieb der Hunde an. Da Windhunde, anders als die meisten anderen Hunderassen, primär mit den Augen jagen, ist ausschliesslich die Bewegung des Objektes entscheidend, nicht sein Geruch. Unglaublich, mit welcher Geschwindigkeit die Hunde ihre Runden absolvieren. Vielleicht frieren ja auch sie und sie wollen darum so rasch als möglich in ihre Boxen zurück?

Als wir nach dem Rennen ins Clubhouse zurückkehren, werden wir aufgeregt empfangen. Einige der Hundehalter hätten sich beklagt, dass wir mit Blitz fotografiert und damit die Hunde aus dem Konzept gebracht hätten. Unseren Beteuerungen, dass dem nicht so war, schenkt man keinen Glauben. Mehr oder weniger freiwillig verlassen wir den Ort des Geschehens. Schliesslich wollen wir verhindern, dass man uns beim nächsten Rennen als «Hasen» missbraucht.

Wir verlassen das Clubhaus und kehren zu Nanuq zurück. Dabei kommen wir am Parkplatz vorbei, der am nächsten beim Eingang liegt und für den «employee of the month» (Angestellter des Monats) reserviert ist. Wir vermuten, dass die Auszeichnung nächsten Monat an den Herrn geht, der uns soeben vor die Tür gesetzt hat.

 

Bürodienst − Früher als erwartet, machen wir uns auf die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit und greifen dazu einmal mehr auf den guten alten Wal Mart zurück.

Da Mardi Gras erst am Freitag Abend beginnt, müssen wir irgendwie die beiden nächsten Tage überbrücken. Die Kälte verdirbt uns die Lust auf grosse Erkundungstouren. Statt dessen verkriechen wir uns im Bücherladen Barnes & Noble, wo wir an unserer Homepage arbeiten. Der Arbeitsplatz ist ideal. Er bietet alles was wir brauchen... ein Tisch, Stühle, Stromanschluss und Bücher zum Nachschlagen.

Wir verbringen fast den gesamten Donnerstag und Freitag im Bücherladen. Einzige Abwechslung bringt ein kurzer Einkaufsbummel am Donnerstag Abend und natürlich die Mardi Gras Parade am Freitag Abend. Dafür fahren wir zurück ins Stadtzentrum. Bevor wir uns einen Platz am Strassenrand suchen, von wo aus wir den Umzug verfolgen können, tanken wir in einer Sportsbar nochmals Energie und Wärme.

 

«Gäll du kennsch mit nit?» − Mardi Gras ist mit unseren Fasnachtsfeierlichkeiten zu vergleichen. Der Ausdruck «Mardi Gras» (fetter Dienstag) bezieht sich ursprünglich auf den Dienstag vor Aschermittwoch. Früher hat man an diesem Tag nochmals so richtig gefeiert und sich die Bäuche vollgeschlagen, bevor am Aschermittwoch die bis Ostern dauernde Fastenzeit begann. Heute bezeichnet man mit Mardi Gras die gesamte Fasnachtszeit, die in Mobile drei Wochen dauert.

Der erste Mardi Gras von Nordamerika wurde 1703 in Mobile gefeiert. Die Tradition ist hier also älter als in New Orleans. Während der Mardi Gras Festlichkeiten sind die Strassen im Zentrum von Mobile fast täglich Schauplatz von Paraden mit geschmückten Wagen, Musikgruppen und Reitern. Die Leute auf den Wagen und die Reiter sind alle mit lila- (steht für Gerechtigkeit), grün- (Glaube) und goldfarbenen (Kraft) Masken geschmückt. Sie gehören einer der «mystic societies» an. Diese Geheimgesellschaften organisieren nicht nur die öffentlichen Paraden sondern auch Bälle, an nur Eingeladene Zuritt erhalten. Die Herrstellung der Masken und Kostüme dauert oft Monate und kostet eine Menge Geld. Sollte ein Mitglied einer Geheimgesellschaft seine Maske in der Öffentlichkeit abnehmen und so seine Identität preisgeben, droht ihm der Ausschluss.

Wir ergattern einen Platz neben Kim und Brian. Sie erzählen uns einiges über den Mardi Gras und schenken uns eine Tüte, in die wir unsere «Trophäen» stecken können. Die maskierten Narren bewerfen die gierige Meute am Strassenrand nämlich mit Plüschtieren, Süssigkeiten, Spielzeug, Plastikbechern, Plastikmünzen und den so genannten Beads. Diese in den Mardi Gras Farben gehaltenen Plastikperlenketten gibt es in verschiedenen Grössen und Formen. Je grösser die «Perlen», desto stolzer werden sie vom neuen Besitzer getragen. Wir geniessen das bunte Treiben und lassen uns von der Begeisterung mitreissen. Umso erstaunter sind wir deshalb über den abrupten Schluss. Kaum ist der letzte Wagen um die Ecke gebogen, taucht die Putzequipe auf. Auf Brian’s Warnung hin, können wir uns gerade noch rechtzeitig von den Abschrankungsgittern weg in Sicherheit bringen. Schon werden diese von kräftigen Jungs aufs Trottoir geworfen, um die Strasse für den Putzwagen frei zu machen. Ein paar Minuten später sind alle Zuschauer verschwunden... the show is over.

 

Nie mehr kalt!? − Da wir noch nicht müde sind, fahren wir zurück zu Barnes & Noble und widmen uns nochmals ein paar Stunden der Homepage. Der nächste Tag gleicht dem heutigen. Wieder nutzen wir die Infrastruktur des Barnes & Noble. Und wieder besuchen wir am Abend die Mardi Gras Parade in der Innenstadt. Zur Abwechslung machen wir am Morgen einen Abstecher zu einem riesigen Flohmarkt mit über 700 Ständen. Obwohl die Stände überdacht sind, ist es eisig kalt. Die Halle ist an den Seiten offen und lässt den Wind ungehindert durch die Gänge ziehen. Das bekommen auch die Chihuahuas zu spüren, die in ihren Käfigen auf einen Käufer warten. Die kleinen Hunde mit den grossen Augen und Ohren zittern am ganzen Körper und erregen unser Mitleid. Wir jedenfalls sind froh, dass wir nach einem Durchgang und dem Kauf mehrerer Bücher wieder an die Wärme zurückkehren können.

Den Abend beginnen wir mit dem Besuch von Picklefish, einer angesagten Pizzeria im Zentrum von Mobile. Das Lokal kommt ohne Schnickschnack daher, überzeugt aber mit den leckeren Pizzas. Speziell sind die weissen Pizzas (white pizza), welche ohne Tomatensaucen serviert werden.

Die Mardi Gras Parade verläuft ähnlich wie gestern. Sie wird jedoch von einer anderen «mystic society» organisiert und beinhaltet darum andere Wagen und Musikgruppen. Brian ist ebenfalls wieder anwesend. Diesmal bringt er seine Tochter Taylor, seine Nichte Sara und einen Neffen mit.

Nach der Parade kehren wir nochmals in den Barnes & Noble zurück. Die Nacht verbringen wir jedoch nicht auf dem Wal Mart Parkplatz sondern ein paar Kilometer weiter bei Love’s Travel Stop in Loxley. Morgen werden wir Alabama verlassen und Florida, den «Sunshine State», erreichen. Endlich Sonne und Wärme... Denkste!